Presse Archiv : Süddeutsche Zeitung, 3.1998

Eine Klang-Installation der Münchner Lyrikerin Augusta Förster-Laar

Was an traditionellen Gedichten oft nervt, ist ihre Starrheit. Der Sinn ist gefangen in unverrückbaren Rhythmen und Reimen, die Aussage so fest in Verse gegossen wie Schillers Glocke. Wenn ein Gedicht als wirklich gelungen gilt, ist es von ebenmäßigem Versmaß sowie ellenlang, und Generationen von Schülern müssen sich stumpfsinnig durch auswendig zu lernende Strophen quälen.

Wie gut tut dagegen Lyrik, die dem Leser mit wenigen Worten einen Anreiz zum phantasievollen Herumspinnen gibt. Die Gedichte der Münchner Autorin Augusta Förster sind ein Beispiel für diese lockere, inspirierende Art der Poesie. Die Titel ihrer Werke tragen lustige Namen wie '1 Stuck Scheiße' oder 'Ariel in den Bäumen'. Sie sind kurz, klingen manchmal fetzig und romantisch zugleich und lassen dem Leser viel Raum zum Denken.

Die 42jährige Lyrikerin veröffentlicht seit 1995 in Zeitschriften und Anthologien wie 'Das Gedicht', 'Van Goghs Ohr' oder 'Perspektive'. Und im Internet. Auf ihrer eigenen Homepage (www.poeticarts.de) stehen mittlerweile 27 Gedichte.

"Allein mit der Flasche bei Tageslicht / Koffer aus Ecken verchromte / Türen im Kreis um mich herum / vor und zurück / gehalten 1 Stuck Scheiße/ sagte er vor und zurück" heißt es in "1 Stuck Scheiße". Vor und zurück sind Schlüsselbegriffe, nicht nur in dem Werk mit dem unflätigen Namen. Denn auf dem Computerbildschirm lassen sich Försters Werke vor- und zurückblättern. In "Abendland Reply" eröffnet die Dichterin dem Leser die Möglichkeit sein eigenes Gedicht zusammenzubasteln. Einige Schlüsselwörter lassen sich anklicken, der Leser hat die Wahl zwischen verschiedenen Fortsetzungen.

"Abendland Reply handelt vom Reisen; und es erscheint recht sinnvoll, daß die Autorin nicht diktatorisch die Marschrichtung befiehlt, sondern jedem offen läßt, wohin die Reise geht. Das ist moderne verbraucherfreundliche Lyrik. Per Tastendruck steuert der Poesie-User den Fortgang des Gedichts. Kein Reimlexikon, kein Versmaß bestimmt über den Ausgang einer Zeile, sondern nur die Leselust des Konsumenten: die Endung mit der Maus.

Dass Augusta Förster-Laar jede Menge Taktgefühl besitzt, will sie heute abend im "Temporären Klangmuseum" im Lenbachhaus demonstrieren. Zusammen mit DJ Kalle Laar rezitiert sie ihr Gedicht "Abwesenheit im Flug". Wobei Rezitation nicht genau das trifft, was im Lenbachhaus ablaufen wird. Augusta Förster liest ihr Gedicht in mehreren Blöcken von 21 Uhr bis ein Uhr nachts, dazu gibt es Musik von DJ Kalle Laar. Die Worte der Dichterin werden dabei per Video auf eine Leinwand übertragen - nicht nur akustisch, auch optisch. Dafür wurde das Gedicht "Abwesenheit im Flug" abphotographiert. Jedes Wort einzeln.
(Münchner Lenbachhaus am Königsplatz, von 21 bis 1 Uhr.) Titus Arnu

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